Fragen und Antworten

Da das bedingungslose Grundeinkommen ein sehr komplexes Thema ist, tauchen natürlich immer eine Reihe von Fragen auf. Auf dieser Seite wollen wir einiger dieser Fragen beantworten.

Desweiteren möchten wir auf das interaktive Videoprojekt »bge-interaktiv hinweisen. Dort werden in kurzen Videos weitere Fragen behandelt.

 

Wie soll das Grundeinkommen finanziert werden?

 

Zur Finanzierung eines Grundeinkommens bestehen bereits mehrere konkrete Modelle, andere werden noch weiterentwickelt. Eine Ȇbersicht unterschiedlicher Grundeinkommensmodelle findet sich auf der Seite des Netzwerk Grundeinkommen. Generell gibt es aber verschiedene Wege der Finanzierung. Alle Modelle haben aber eine Reihe von Gemeinsamkeiten:

Deutschland unterhält eine Fülle von Sozialleistungen (Arbeitslosengeld, Wohngeld, BAföG, Kindergeld, Elterngeld, ...) und Ämter, die deren Bezug regeln. Ein Grundeinkommen wäre zunächst nur eine Lichtung dieser Leistungen und würde diese bis zu seiner Höhe ersetzen. Übrig blieben nur die Leistungen, die in ihrer Höhe über das Grundeinkommen hinaus gehen. Die dadurch eingesparten Bürokratiekosten werden zur Finanzierung herangezogen.

Die meisten Modelle fordern außerdem eine grundlegende Überarbeitung des Steuersystems hin zu einem einfacheren, effizienteren System. Dazu gehören das Schließen von Steuerschlupflöchern und -vermeidungsstrategien, der Wegfall vieler Steuervergünstigungen, die das ganze System sehr kompliziert machen und der Wegfall des Steuerfreibetrages, denn dieser wird mit dem Grundeinkommen bereits ausgezahlt. Außerdem wären andere Steuern denkbar, wie die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, Wiederanhebung des Spitzensteuersatzes, eine Finanztransaktionsteuer, Steuern auf umwelt- und gesundheitsschädliches Verhalten und vieles mehr. Nicht zuletzt können Teile des Grundeinkommens auch immateriell gewährt werden, zum Beispiel in Form von Bildungsgutscheinen oder fahrscheinlosem ÖPNV. In diesen Ausgestaltungen liegen die Hauptunterschiede der verschiedenen Modelle.

Wichtig ist jedoch, dass Das Grundeinkommen eine Umverteilung vorhandener Vermögen und Einkommen zum Wohle aller Menschen voraussetzt.

Das Grundeinkommen wird bei den meisten Menschen nicht einfach zusätzlich zum bereits bestehenden Einkommen gezahlt, sondern zum Teil in das Einkommen hineinwachsen. Alle beim Staat beschäftigen Menschen vom Reinigungspersonal über den Finanzbeamten bis zum Bundestagsabgeordneten würden uns als Gesellschaft also nicht automatisch mehr kosten.

Aber gerade dieses "Hinweinwachsen" in bestehende Einkommen bietet insbesondere Angestellten im Niedriglohnsektor die Möglichkeit Bezahlung und Arbeitsbedingungen neu zu verhandeln.

Auch würde das Grundeinkommen wie eine Grundrente wirken und stellt damit eine effiziente Maßnahme gegen Altersarmut dar. Bestehende Rentenansprüche würden mit dem Grundeinkommen verrechnet und der Betrag, der darüber hinaus geht noch separat ausgezahlt. Deswegen werden auch Teile der Rentenkasse in der Finanzierung berücksichtigt.

 

Geht dann noch irgendjemand arbeiten?

 

Liest man einschlägige Zeitungen und sieht zu bestimmten Uhrzeiten fern, kann man den Eindruck eines Stereotypen des Arbeitslosen bekommen. Beispiele wie Florida-Rolf oder Arno Dübel kennen wir alle aus den Medien. Eine häufige Sorge ist, dass ein Mensch, der keinem ständigen Druck zu arbeiten ausgesetzt ist gar nicht mehr zur Arbeit zu bewegen ist. In der Folge würde unser Wirtschaftssystem zusammenbrechen und damit die Grundlage für die Zahlung eines Grundeinkommens. Aber ist das wirklich die Realität?

Zunächst einmal müssen wir überlegen was „Arbeit“ eigentlich bedeutet. Wenn wir heute von „Arbeit“ reden, dann meinen wir meist die klassische sozialversicherungspflichtige Erwerbsarbeit. Daneben gibt es aber eine Fülle von anderen „Tätigkeiten“, die für unsere Gesellschaft mindestens genauso wichtig sind. Beispiele hierfür sind Erziehungsarbeit, ehrenamtliches Engagement, Bildungsarbeit, zwischenmenschliche Arbeit und Privatarbeit. Auch viele künstlerische und kulturelle Arbeiten finden jenseits der Erwerbsarbeit statt. Zudem hat nicht jede Erwerbsarbeit positive Auswirkungen auf die Gesellschaft (Rüstungsindustrie, Atomkraftwerksbetreiber, Rauschmittelindustrie, …).

Eine Studie des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahre 2010 weist für Deutschland eine Gesamtarbeitszeit von 53 Mio. Stunden jährlich in der Erwerbsarbeit aus. Dem gegenüber stehen 93 Mio. Stunden jährlich von unbezahlter Arbeit, also annähernd doppelt so viel. Diese Arbeit wird sogar geleistet, ohne dass dafür ein gesellschaftlicher Druck aufgebaut werden muss.

Mehrere Umfragen mit den Fragestellungen „Würden Sie noch arbeiten, wenn für Ihr Einkommen gesorgt wäre?“ und „Glauben Sie, dass Andere noch arbeiten würden, wenn für deren Einkommen gesorgt wäre?“ entlarven zudem einen weiteren gesellschaftlichen Missstand.

Auf die erste Frage antworteten:

  • etwa 80 % der Menschen : „Ja, ich würde normal weiterarbeiten“
  • weitere 10 %: „Ja, aber... anders/weniger“
  • und weitere 10 %: „Erstmal nicht“

Auf die zweite Frage antworteten:

  • etwa 90 %: „Nein, die Anderen sicher nicht“
  • etwa 10 %: „Ja, ich denke schon“

Offensichtlich gibt es in unserer Gesellschaft ein gespaltenes Menschenbild. Eines, das von der eigenen Person ausgeht und ein anderes mit dem man die Mitmenschen sieht.

Überhaupt braucht man nicht befürchten, dass der Hochlohnsektor mit einem Grundeinkommen die Arbeit niederlegen würde. Die Gefahr besteht aber tatsächlich im Niedriglohnbereich. Das ist aber ein Problem, welches wir heute auch haben und wenn wir den Niedriglohnsektor brauchen, den wir nur mit Zwang aufrechterhalten können, dann läuft grundsätzlich etwas schief. Ein Grundeinkommen würde durch eine neue Verhandlungsgrundlage auch dazu führen können, dass solche Arbeit wieder attraktiver wird.

Abschließend: Es ist nicht zu erwarten, dass plötzlich, auch mit Erhalt eines Grundeinkommens jeder die Arbeit einstellt. Der allergrößte Teil der Menschen möchte tätig sein, denn irgendwann fängt man an sich zu langweilen. „Tätig sein“ bedeutet zudem nicht nur Geld verdienen, sondern auch soziale Integration, im Idealfall Erfüllung und persönliche Weiterentwicklung. Ein Grundeinkommen würde auch Tätigkeiten abseits der Erwerbsarbeit honorieren und damit die „Tätigkeit“ anstelle der „Arbeit“ mehr in den Mittelpunkt der Gesellschaft rücken.

Es kann somit auch eine Weiterentwicklung der heutigen Arbeitsgesellschaft einleiten (Stichwort: Tätigkeitsgesellschaft). Sicherlich wird es einige Menschen geben, die sich aus den verschiedenstes Gründen nicht in die Gesellschaft integrieren können. Diese Menschen hat jede Gesellschaft aber schon immer gehabt und getragen. Hier sollte man die Menschen begleiten und ihnen helfen anstatt sie zu stigmatisieren und zu zwingen.

 

Kann man das BGE überhaupt in einzelnen Staaten in Europa einführen?

 

Das bedingungslose Grundeinkommen wird grundsätzlich weltweit gedacht. Jeder Mensch soll ein Leben in Würde führen können. Armut und Hunger sollen wirkungsvoll bekämpft werden. Allerdings muss man damit irgendwo anfangen und ein Land, in dem ein Grundeinkommen gut funktioniert kann ein Vorbild für andere Länder sein.

Unser Sozialstaat geht ursprünglich auf Otto von Bismarck zurück. Er wurde in den 1880er Jahren eingeführt und ist damit fast 130 Jahre alt. Zum damaligen Zeitpunkt waren solche Sozialsysteme einzigartig. Heute hat fast jedes Land auf der Welt ein mehr oder weniger ausgeprägtes Sozialsystem und viele davon wurden vom Bismarckschen Sozialsystem inspiriert. Das Grundeinkommen könnte einen ähnlichen Impuls setzen.

 

Wie kann ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt werden?

 

Ein bedingungsloses Grundeinkommen kann beispielsweise in mehreren Schritten eingeführt werden, die sich an heutige Sozialleistungen anlehnen. Anfangen kann man beispielsweise bei einem Kindergrundeinkommen oder bei einer Grundrente, die bedingungslos ab einem gewissen Alter gezahlt wird, um Altersarmut zu verhindern oder bei einer sanktionsfreien Arbeitlosenhilfe.

 

Warum sollen Reiche denn auch ein Grundeinkommen beziehen?

 

In der Tat verfügen reiche Menschen auch heute schon über eine Art Grundeinkommen in Form des Steuerfreibetrages, der das Existenzminimum von der Steuer frei stellt und den man nur voll in Anspruch nehmen kann, wenn das Einkommen hoch genug ist. Das Grundeinkommen wirkt aber wie ein ausgezahlter Steuerfreibetrag. Deswegen kommt es allen Menschen zu Gute. Letztendlich wird das Grundeinkommen auch Reichen zunächst ausgezahlt, aber hinterher über die Steuer wieder abgezogen.

 

Gibt es bereits Ansätze eines Grundeinkommens in anderen Ländern?

 

Tathlich gibt es in verschiedenen Ländern bereits ähnliche Ansätze von denen wir hier einige erwähnen wollen.

Alaska Permanent Fund: Seit 1976 gibt es in Alaska einen staatlich eingerichteten Fonds, der die Gewinne aus der lokalen Ölförderung Alaskas verwaltet. Seitdem fließen 25 % der staatlichen Rohstoffeinnahmen an den Fonds. Die Hälfte des jährlichen Gewinnes wird nun über eine Dividende direkt an die Einwohner Alaskas ausgeschüttet. Jeder Einwohner erhält den gleichen Betrag, über den er frei verfügen kann.
Die Auszahlung an die Einwohner Alaskas erfolgt auf Antrag fast bedingungslos. Die ausbezahlten Summen lagen in den letzten 15 Jahren zwischen 800 und 2100 Euro pro Person und Jahr, sind damit also nicht existenzsichernd. Aber hier wird schon die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens deutlich.

 

» Offizielle Website der Alaska Permanent Fund Corporation (englisch)

 

Grundeinkommen in Brasilien: Als erstes Land der Welt hat Brasilien das bedingungslose Grundeinkommen bereits 2004 als Gesetz verabschiedet. Dieses soll nach den Möglichkeiten des Landes schrittweise eingeführt werden und, angefangen bei den Ärmsten in der Bevölkerung zu einem allgemeinen Grundeinkommen mit individuellem Rechtsanspruch ausgebaut werden.
Als ersten Schritt in diese Richtung wurde schon 2003 das Programm "Bolsa Família" gestartet. Dieses stellt ein bedingtes Grundeinkommen dar, von dem inzwischen etwa 12,8 Mio. Haushalte (über 50 Mio. Menschen) profitieren, und welches bei Bedarf lebenslang ausgezahlt wird.

 

» Einige Auswirkungen von Bolsa Fanília

 

Pilotprojekt zum Grundeinkommen in Namibia: Im Januar 2008 startete eine breite Koalition aus Kirchen, Gewerkschaften, AIDS Organisationen und anderen Nicht-Regierungsorganisationen ein zweijähriges Pilotprojekt in dem namibischen Dorf Otjivero. Dort leben rund tausend Menschen in sehr armen Verhältnissen in einer Wellblechsiedlung, umgeben von weißen, überwiegend deutschstämmigen Farmern.
Bis Ende 2009 bekam jeder Einwohner des Dorfes pro Monat 100 N$ (etwa 9 €) und anschließend bis Mitte 2012 ein Überbrückungsgeld von 80 N$ ausgezahlt. Der Versuch wurde umfangreich wissenschaftlich begleitet und hatte zum Ziel die Regierung Namibias von der Einführung eines landesweiten Grundeinkommens zu überzeugen.

 

Sechs Monate später, im Juli 2008, führte die Koalition eine Untersuchung durch, um festzustellen, ob und wie sich ein halbes Jahr Grundeinkommen auf die Bewohner ausgewirkt hat.
Die Ergebnisse waren ermutigend: Der relativ kleine Betrag von 100 N$ pro Person führte dazu, dass die Kinder zur Schule gingen und das Schulgeld bezahlt wurde, die Einwohner im Krankheitsfall zur Klinik gingen, AIDS-Patienten ihre Medikamente auf vollen Magen einnehmen konnten, einige Frauen und Männer kleine Geschäfte, z. B. die Herstellung und Verkauf von Kleidern, Brot und Ziegelsteinen starteten, die Wellblechhütten renoviert und Wellblech durch Ziegelsteine ersetzt wurden.

 

Trotz vorwiegend positiver Entwicklungen weigerte sich die Regierung beharrlich ein landesweites Grundeinkommen einzuführen. Dennoch lassen sich aus diesem Projekt viele Schlüsse über das Verhalten von Menschen mit Grundeinkommen ziehen und es ist ein wichtiger Beitrag für die Grundeinkommensdiskussion in den Industrieländern. Außerdem zeigt es auch eine andere Möglichkeit der Entwicklungshilfe und der Armutsbekämpfung auf.

 

» Fernsehbeitrag zum Projekt

 

end faq